Design Thinking im Detail

Design Thinking Prozess-Modelle

Design Thinking ist ein Prozess, der durch iteratives Wiederholen von verschiedenen Phasen von einem Problem oder einer Aufgabenstellung zu einer Innovation führen soll. Im Laufe der letzten Jahre sind in der wissenschaftlichen Forschung verschiedene Prozess-Modelle entstanden, die Design Thinking erklären und beschreiben sollen. Die Prozess-Modelle ähneln sich sehr stark. Wir verwenden gerne folgendes Prozess-Modell für den Mikro-Prozess (Eine Definition und Einordnung von Design Thinking finden Sie hier: Design Thinking)

Design Thinking in fünf Phasen: Verstehen, Definieren, Ideation, Bauen, Testen

In der ersten Phase (Verstehen) entwickelt das Innovationsteam ein tiefes Verständnis der Wünsche (Needs) des Nutzers (User) bezogen auf ein Produkt, einen Prozess oder eine Dienstleistung. Diese werden in der zweiten Phase (Definieren) gesammelt und analysiert. Der „Innovationsraum“ und die Aufgabenstellung werden nun als Ausgangspunkt für den weiteren Prozess definiert. Darauf basierend startet das Team die kreative Phase (Ideation) und entwickelt Ideen, welche dann im vierten und fünften Schritt durch das Bauen von Prototypen für den Nutzer konkretisiert werden. Ist das Nutzer-Feedback nach dem Prototyping-Prozess positiv, wird das Ergebnis als Innovation präsentiert.

Der Design Thinking Prozess im Detail

Für die detailliertere Betrachtung von Design Thinking eignet sich unser prozessuales Phasenmodell, welches die dynamisch-flexiblen und iterativen Aspekte von Design Thinking mitdenkt. Generell unterscheiden wir innerhalb eines Design Thinking Projektes zwei übergeordnete Phasen denen jeweils fünf Phasensegmente untergeordnet sind. Beide Phasen bilden Prozesseinheiten aus fünf Phasensegmenten:

1. Definition und Spezifikation des Innovationsraumes.

2. Ideation und Prototyping.

Der dynamisch-flexible Aspekt des Design Thinking Prozesses

Es ist uns wichtig schon hier festzuhalten, dass der Design Thinking Ansatz durchaus die Rückkehr in schon absolvierte Phasensegmente erlaubt, wenn im Design-Prozess gewonnene Erkenntnisse und Learnings dies notwendig machen sollten. Die Wiederholung eines eigentlich schon abgeschlossenen Phasensegments ist aus dieser Perspektive keinesfalls als Rückschritt zu erachten (siehe Fehlerkultur in Design Thinking Prozessen). Die gewonnen Erkenntnisse führten ja zu einem besseren Verständnis des Nutzers oder des Stakeholders.

Phase 1: Definition und Spezifikation Innovationsraum

Design Thinking Phase 1:
Definition und Spezifikation des Innovationsraumes

Die erste Phase des Design Thinking Zyklus entspricht in etwa den Abschnitten „Verstehen“ und „Definieren“ des oben ausgeführten Mikroprozesses. Dieser Teil des Prozesses ist hier jedoch wesentlich ausdifferenzierter dargestellt. Während je ein blaues Feld für ein Phasensegment steht, deuten die Linien oberhalb und unterhalb der Phasensegment-Kette die Offenheit des jeweiligen Segments für Kreativität an. Das Ziel der ersten Phase ist es, ein detailliertes und vollständiges Verständnis des Problem- oder Aufgabenfeldes zu erlangen, den Nutzer (Kunde oder Stakeholder) genau zu analysieren und den Innovationsraum zu definieren und einzugrenzen. Dazu ist die Phase 1 in fünf Phasensegmente unterteilt:

  • 1. Schritt: Definition des Problems / der Aufgabe

    In diesem Abschnitt wird abgegrenzt, in welchem Gebiet eine Innovation erreicht werden soll. Dies kann sowohl durch die Lösung eines Problems sein, als auch das Bewältigen einer gestellten Innovations-Aufgabe. Dazu werden auch die Rahmenbedingungen für den Innovationsprozess abgesteckt, wozu das Design Thinking Team zusammenstellen, zeitliche Faktoren, Budgets und Verantwortlichkeiten gehören. Am Ende dieses Abschnitts soll jedem Teammitglied klar sein, wie der Prozess strukturiert wird, was von ihm erwartet wird und wie verwendeten Methoden und Tools aussehen und funktionieren. Idealerweise wird bereits der Kick-off vom Design Thinking Coach moderiert.
    Wichtig: Design Thinking sieht vor, dass man bei in späteren Phasen und Lerneffekten erzielten Lernergebnissen über die Bedürfnisse der Nutzer zum Ausgangspunkt zurückkehren kann und das Problem/Die Aufgabenstellung „re-definieren“ kann. Der Prozess sieht vor, dass Re-Definitionen möglichst frühzeitig im Prozess vorgenommen werden.

  • 2. Schritt: Generelles Verständnis – „find and enlarge knowledge“

    In diesem Segment recherchiert das Design Thinking Team alle greifbaren Informationen, welche mit dem Problem oder der Aufgabenstellung zusammenhängen und deren Kenntnis für das Finden einer Lösung nützlich sein könnte. Hierzu gehören auch Markt-Analysen, Literaturrecherche, Trend-Analysen und Expertenmeinungen. Gefragt sind Qualitäten wie Intuition und Empathie, da zu diesem Zeitpunkt die Kunden- und Stakeholder-Meinungen noch nicht integriert werden. Anregung holt man sich beispielsweise durch Analogie-Szenarien oder Selbstversuche.

  • 3. Schritt: Definition Innovationsraum

    Schon an dieser Stelle kann eine sehr genaue Aussage getroffen werden, wo und wie eine Verbesserung (z.B. des Kauferlebnisses, der Kundenzufriedenheit, der Prozesseffizienz, usw.) erreicht werden kann. Idealerweise wird innerhalb von einer Sitzung eine Synthese der erzielten Erkenntnisse erreicht und durch eine detaillierte Zielgruppendefinition der Grundstein für die nächste Phase gelegt. Zudem sollte eine detaillierte Stakeholder-Analyse angestrebt werden.

  • 4. Schritt: Vertieftes Verständnis – „grasping external knowledge“

    Die intensive Befragung der intendierten Nutzer der Innovation schon zu diesem frühen Projektzeitpunkt ist eine der Stärken der Design Thinking Methode. Dadurch soll das Scheitern eines Innovationsprojektes zu einem fortgeschrittenen Prozesszeitpunkt verhindert werden. Es gilt das Motto „fail often. fail early“. Je früher man seine Annahmen revidiert, desto geringer sind die Reibungsverluste. Es ist deshalb durchaus üblich, dass dieses Phasensegment, in dem die definierte Zielgruppe intensiv z.B. durch Interviews befragt wird, dazu führt, dass die Annahmen aus Schritt 3 revidiert oder verändert werden, bevor Schritt 4 erneut gegangen wird. Schon in diesem Phasensegment wird durch iteratives Vorgehen versucht eine möglichst genaue Vorstellungen von den „Needs“ der Zielgruppe zu erhalten. Ziel ist es, die Erfahrungen und Erlebnisse der Zielgruppe mit einem Produkt oder einem Prozess zu sammeln, um daraus in Schritt 5 Konsequenzen und Schlussfolgerungen zu ziehen.

  • 5. Schritt: Spezifikation des Innovationsraumes

    Wie in Phasensegment 3 wird im fünften Schritt eine Synthese der gewonnenen Erkenntnisse gesucht. Häufig kann dieses Ergebnis innerhalb einer fokussierten Session erzielt werden, die dann direkt in Phase 2: Ideation und Prototyping überleitet. Die Befragung der Zielgruppe durch direkte Interviews und das sammeln der Ergebnisse z.B. durch Storytelling wirkt sich stark stimulierend auf das kreative Potential des Design Thinking Teams aus. Das Ergebnis des fünften Schrittes ist ein klar definiertes und abgegrenztes Verständnis des Innovationsraumes.

Ein Innovationssraum gilt dann als definiert und spezifiziert wenn eindeutige Aussagen über folgende Aspekte getroffen werden:

  • Objekt, das durch eine Innovation verbessert oder gelöst werden soll. Zum Beispiel: Produkt, Geschäftsfeld, Prozess, Problem, etc.
  • Zielgruppe der Nutzer
  • Stakeholder
  • möglicher Wettbewerb
  • „Need“: Wünsche, Erwartungen und Anforderungen des Nutzers. Sie werden entweder direkt vom Nutzer geäußert oder vom Team geschlussfolgert.

Phase 2 Design Thinking

Design Thinking Phase 2: Ideation und Prototyping

Nachdem die Grundlage in Phase 1 (s.o.) gelegt wurde, kann mit Phase zwei die eigentliche Kreativ-Phase beginnen, die durch die klare Prozessstruktur von Design Thinking in die Präsentation einer Lösung oder einer Innovation mündet. Eine Rückkehr in Phasensegmente der ersten Phase sind zwar prinzipiell möglich, kommt jedoch im Normalfall nicht vor. Die mehrfache Wiederholung der Ideations-Phase und v.a. der Prototyping-Phase sind im Gegensatz dazu fester Bestandteil des Design Thinking Prozesses. Dies geschieht auch um unterschiedliche Aspekte des in Phase 1 festgelegten Innovationsraumes zu adressieren.

  • 1. Schritt: Ideation – „encourage wild ideas“

    Diese Phase wird durch die Nutzung verschiedener Kreativitätstechniken und -Methoden bestimmt. Hier zeigt sich die methodische Vielfalt der Design Thinking Methodologie. Der Kreativität soll in dieser Phase keine Grenze gesetzt werden: je mehr Ideen und Impulse desto besser! Ideen, die auf den ersten Blick realitätsfremd wirken könnten sind durchaus erwünscht.

  • 2. Schritt: Spezifikation – „pathfinding / opting“
    Die Auswahl der Ideen, die vom Design Thinking Team weiterverfolgt werden sollen, wird im zweiten Schritt getroffen. Durch integratives Denken werden Ideen miteinander verbunden. Am Ende des Spezfikations-Segments steht eine Entscheidung für eine Ideengruppe, die vom Team umgesetzt wird. Im Idealfall arbeiten mehrere Teams simultan am gleichen Innovationsraum. So werden verschiedene Innovations-Ideen verfolgt und die Teams aus 5-9 Teammitgliedern inspirieren sich gegenseitig.
  • 3. Schritt: Prototyping – „making it tangible“ – 4. Schritt: Kunden- / Stakeholder-Perspektive
    In diesem Phasensegment wird vom Design Thinking Team der größte Aufwand betrieben. Die in Schritt zwei gewählte Idee wird durch einen Prototypen realisiert. Es ist das Ziel, die Idee „anfassbar“ zu machen oder zumindest zu visualisieren (z.B. wenn es sich um einen Prozess handelt). Unmittelbar nach der Fertigstellung des Prototypen wird die das Feedback der in Phase 1 kategorisierten Zielgruppe eingeholt. Auch hier zählt wieder das Motto „fail often. fail early.“ Die ersten Prototypen sollen noch mit relativ wenig Aufwand hergestellt werden. So ist man in der Lage, frühzeitig zu erkennen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Die Schritte drei und vier sind also sehr eng miteinander verbunden und werden deshalb hier gemeinsam beschrieben. Sie werden iterativ mit immer feineren und detaillierteren Prototypen wiederholt, bis am Ende der finale Prototyp steht, der unmittelbar die Innovation oder die Lösung darstellt.
  • Schritt 5: Synthese
    Jede Iteration der Schritte 3 und 4 folgt die Synthese. Sie sammelt die erzielten Erkenntnisse und ordnet diese in den gesamten Prozess ein. Schlussfolgerungen für weitere Prototypen und Verfeinerungen oder Anpassungen von kritischen Funktionen des Protoypen der Idee werden gezogen. Häufig werden am Ende eines Prototyping-Zyklus kurze Phasen der Ideation in den Prozess eingebaut, um neue Ideen für die Umsetzung kritischer Funktionen eines Prototypen zu generieren. Mit dem finalen Prototypen wird in diesem Phasensegment die Entscheidung getroffen, dass der Innovationsprozess abgeschlossen ist und die Lösung oder die Innovation präsentiert werden kann.

Erfahren Sie hier, wie der Design Thinking Coach den Design Thinking Prozess methodisch, strukturierend und durch Moderation unterstützt.

 

 

Quellen:
*Bauer, R. & Eagen, W. (2008): Design Thinking: Epistemic Plurality in Management and Organization. Aesthetics, 2(3), 64-74.